Mittwoch, 14. August 2013

Inger Edelfeldt: Jim im Spiegel

Jim im Spiegel
Inger Edelfeldt

Taschenbuch: 245 Seiten
Verlag: Ravensburger Buchverlag;
Auflage: 1 (1. März 1998)
ISBN-13: 978-3473580545


Klappentext

Statt eines Klappentextes die Begründung der Jury für den deutschen Jugendbuchpreis 1986:

Jim ist ein Außenseiter, der viel zu erleiden hat, obwohl seine Schulleistungen glänzend sind. Bis zum Abitur findet er niemanden, dem er sich mit seinen Problemen anvertrauen könnte. Doch dann taucht ein älterer Freund auf, der ihn liebt und sich bemüht, Jims Selbstbewusstsein zu stärken. Das kenntnisreiche und einfühlsame Buch gestattet tiefe Einblicke in das Empfinden eines jungen Homoerotikers.

Ein Roman, der ein in unserer Jugendliteratur bisher fast tabuisiertes Thema überzeugend gestaltet. (Ab 15)


Frankys Kritik

Allein die Wortwahl „jungen Homoerotikers“ lässt mich tief durchatmen im Mief der 80er Jahre. Löblich, dass es für dieses Buch überhaupt den Jugendbuchpreis gab. Trotzdem möchte ich es dem heutigen Coming Out geplagten Jugendlichen nicht unkommentiert in die Hand drücken. Denn dieses Buch zeigt eigentlich konsequent auf, was beim Coming Out – und dem Weg dorthin – alles schieflaufen kann. Klassenkameraden, Eltern, Lehrer, Psychologen, in „Jim im Spiegel“ versagen sie alle durch die Bank und man möchte viel eher diesen Personen dieses Buch in die Hand drücken, um ihnen vor Augen zu führen, wofür ihr Handeln verantwortlich ist. Denn Jims Geschichte ist ein langer Leidensweg, aus dem er erst mit der eigenen, hart erkämpften Emanzipation, dem Auszug aus dem Elternhaus und dem Bruch der gesellschaftlichen Konventionen einen Ausweg findet. Das Ende der Schulzeit, das Erreichen der Volljährigkeit und das damit verbundene Erlangen erstmaliger Selbstbestimmtheit bieten Jim eine Wahl und die Möglichkeit der Selbstfindung. Ein Vorgang, der ihm in all den Jahren seiner Kindheit und Jugend nicht gestattet war.

Formal beginnt jedes Kapitel mit einem kurzen Statement von Jims Mutter, die die jeweils anstehenden Ereignisse und Begebenheit aus ihrer Blickweise vorab kommentiert, eine Sicht, die meist durch Jims Bericht über diesen Lebensabschnitt demontiert wird. Schön, dass kein Auslöser, keine Ursache, kein Grund für Jims Homosexualität herangezogen wird. Ein Umstand, der in den beginnenden 80ern keinesfalls selbstverständlich war. Es ist ergibt sich für Jim über der Jahre von Kindheit und Jugend auch kein langsamer Erkenntnisprozess, sondern ein allmähliches und kaum wahrnehmbares Hereinwachsen in eine schon immer vorhandene Realität.

Da ihm jedwede Unterstützung von Elternhaus und Schule ebenso fehlt, wie das Vorhandensein irgendwelcher Freundschaften – mediale Informationen zu diesen Thema waren in jener Zeit faktisch nicht existent, flüchtet sich Jim freiwillig in die Außenseiterrolle eines Strebers. Aufkommenende Ahnungen schottet er konsequent vor sich ab. Erst als er nach Abschluss der Schule gezwungen ist, sein Leben irgendwie neu zu ordnen, lässt er ganz unerwartet eine Liebesbeziehung zu einem älteren Jungen zu, die ihm schließlich die Möglichkeit zum Ausbruch bietet.

Eine Geschichte, die auch heute noch schwer im Magen liegt, anschaulich geschrieben und mit einem noch heute gültigen Realismus versehen. Kein Wohlfühlbuch, aber ein Buch, dass sich immer noch zu lesen lohnt.



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