Mittwoch, 26. Juni 2013

Peter Nathschläger: Dunkle Flüsse

Dunkle Flüsse
Peter Nathschläger
Taschenbuch: 219 Seiten
Verlag: Production House GmbH 
Abteilung  Himmelstuermer;
Auflage: 1. Aufl. (9. Mai 2005)
ISBN-13: 978-3934825437


Klappentext


David Schneider wurde als Siebenjähriger von Frank Dohunan, dem Jäger und Beutemacher entführt. Er durfte sich nicht mehr David nennen, sich an nichts mehr erinnern. Dohunan zwang ihn zur Prostitution und belog ihn über seine Vergangenheit. Erst neun Jahre später schaffte David die Flucht. Es wird nicht nur eine Reise quer durch die USA, sondern auch eine entlang der dunklen Flüsse menschlicher Grausamkeit – durch eine von Menschenhand erschaffene Hölle. Diese erlebt er in einem Internat für elternlose Jungen, die durch ihre Aufseher ein grauenhaftes Martyrium erleiden. Die Flucht, seine Suche nach seinem Zuhause, führt ihn nicht nur hart an den Rand dessen, was ein Mensch ertragen kann, sondern auch in die Arme von Mark Fletcher, einem gleichaltrigen Jungen, der vom Gefährten zum Freund und zum Geliebten wird.


Frankys Kritik

Ein Buch wie ein Hammerschlag und wahrlich nichts für zart beseitete Gemüter. Mit einfacher Sprache - stellenweise ein wenig sehr bemühter Jugendslang - führt uns der Autor drastische Bilder vor Augen, die leider nicht nur der Fiktion entsprungen sind, und spart dabei nicht an Derbheit und Brutalität. Die grundsolide Geschichte mit einem breiten Spannungsbogen stößt sich allerdings an einer Reihe von Ungereimtheiten, die den Leser doch hin und wieder stutzen lassen. Das amerikanische Setting klingt stellenweise arg deutsch, gerade in den beschriebenen Details (Personennamen, Autos, Kleidung etc), weshalb doch eher ein europäisches Gefühl aufkommt. Zudem „klebt“ die Erzählung so dicht an ihren Hauptprotagonisten, dass etliche Begebenheiten schon augenfällige Zufälle darstellen. Im Gegenzug dazu bleibt die Motivation der Figuren, und deren innere Entwicklung, mehr oder weniger außen vor. Beweggründe der Hauptfiguren werden öfters nicht erläutert oder dem Leser anderweitig nähergebracht, was diesen stirnrunzelnd über die innere Logik nachdenken lässt. Sowohl das vorgezogene Finale als auch das Ende orientiert sich stark am Hollywoodkino – einmal in Slasher-Manier, das andere Mal übertrieben zuckrig. Da wäre durchaus mehr „drin“ gewesen als unterhaltsame Spannung und etwas Dramatik.



Samstag, 22. Juni 2013

Oliver Fehn: Verfluchter Sommer

Verfluchter Sommer
Oliver Fehn

Broschiert: 254 Seiten
Verlag: Dead Soft Verlag; 
Auflage: 1., Aufl. (15. Oktober 2007)
ISBN-13: 978-3934442382


Klappentext

„Wo steckt mein Bruder Bryan? Warum ist er vor Jahren als Jugendlicher von zu Hause abgehauen? Ist er noch immer der große Mädchenschwarm?“ – Diese Fragen beschäftigen den 15jährigen Bennie fortwährend, doch seine Eltern geben nur vage Auskünfte. Als sie in jenem Sommer zur Kur fahren, steigt Bennie in den nächsten Zug, um das Geheimnis um Bryan auf eigene Faust zu lösen. Doch in dem düsteren Bruderstadt, das wie ein Ghetto für Gestrandete und Kriminelle anmutet, gerät Bennie schon bald in einen Sog aus Schrecken und Gewalt. Die Suche nach Bryan führt ihn durch tausend Abenteuer, bei denen er Freundschaften knüpft, sich erbitterte Feinde macht und natürlich auch verliebt. Über Bahnhöfe, Rummelplätze und bis tief in die Abgründe führt sein Weg. Am Ende bleiben eine schmerzliche Erkenntnis, aber auch das Gefühl, zu sich selbst gefunden zu haben.


Frankys Kritik

Mehr Krimi als als Coming Out Roman, mehr Abenteuer- als Liebesgeschichte, fesselt das Buch von den ersten Seiten an. Und der Spannungsbogen hält bis in das letzte Kapitel hinein, das die Geschichte vielleicht etwas abrupt beendet. So bleiben noch einige Fragen offen, die einer Klärung bedurft hätten, was der Geschichte als Ganzes allerdings keinen Abbruch tut. Dafür sorgt vielmehr die Wankelmütigkeit des Protagonisten Bennie, der sich im Zuge seines durchbrechenden Coming Outs und nach dem plötzlichen Erkennen seiner Liebe und deren Verlust recht schnell mit anderen Liebschaften zu trösten weiß, die sich der Reihe nach die Hand zu reichen scheinen. Das nimmt der Geschichte stellenweise ein wenig die Tiefe. Zudem wirken einige der zahlreichen Wendungen der Handlung etwas konstruiert. Es sind die Zufälle hin und wieder augenscheinlich groß.

Trotz dieser kleinen Handlungsschwächen bietet „Verfluchter Sommer“ viel spannendes und unterhaltsames Lesevergnügen und zudem ein wenig fürs Herz.



Sonntag, 16. Juni 2013

Justin C. Skylark: Craig’s little Dawn

Craig’s little Dawn
J. C. Skylark

Broschiert: 235 Seiten
Verlag: dead soft verlag (2001)
ISBN-13: 978-3934442078


Klappentext

Auf der Suche nach Unabhängigkeit stößt das Heimkind Nikolas auf den Stricher Craig. Trotz der Konfrontation mit Gewalt, Drogen, Freiern und Obdachlosigkeit entschließt sich Nikolas, bei Craig zu bleiben. Zwischen den beiden entsteht eine zarte Beziehung, die sie bestärkt, gemeinsam das armselige Leben auf der Straße zu bewältigen. Doch schon nach kurzer Zeit werden sie von Craigs Vergangenheit eingeholt ...


Frankys Kritik


Eines sei gleich vorweg geschickt: Wer sich nicht mit den dunklen Ecken des Lebens beschäftigen mag, für den ist dieses Buch harte Kost. Bereits nach den ersten Seiten gerät Nikolas in einen abgrundtiefen Strudel aus Drogen, sexuellem Missbrauch und Gewalt. Erschütternd ist vor allen Dingen die Zwangsläufigkeit, in der sich die Geschehnisse ereignen und die dargestellte Auswegslosigkeit, die Abläufe zu durchbrechen. Um so stärker berührt die sich zwischen Craig und Nikolas entwickelnde Beziehung, die zu einer starken Lieben heranwächst und den wirklich einzigen Grund für beide Jungen darstellt, nicht aufzugeben und nicht am Leben zu zerbrechen. Obwohl das Leben auf der Straße und der andauernde Verkauf ihrer Körper nur mit Hilfe von Tabletten, Alkohol und Drogen zu ertragen ist, finden sie keine Möglichkeit, dem Kreislauf von Drogen und Prostitution zu entkommen. Jeder Ausweg entpuppt sich als Sackgasse oder wird durch die Umstände bereits im Keim erstickt.

Die Geschichte wird in zwei kapitelweise einander abwechselnden Zeitlinien erzählt. Die aktuellen Ereignisse verzahnen sich so mit dem Beginn der Beziehung der beiden Akteure und der Leser erfährt auf diese Weise oftmals die Auswirkungen vor ihren Ursachen, was die Wirkung weiter verstärkt. Aus der Distanz betrachtet erscheinen manche Handlungen und Geschehnisse schwer nachvollziehbar oder unlogisch. Doch wenn sich der Leser bemüht, sich in die Protagonisten hineinzuversetzen – was angesichts der oftmals drastischen Erlebnisse nicht immer leicht fällt – dann ergibt sich ein in sich geschlossenes Bild, das die Jungen langsam und unaufhaltsam auf eine Katastrophe zusteuern lässt.

Ein Buch, das sich nicht in einem "großen" Publikumsverlag finden lässt. So finde ich es immer wieder lohnenswert, auch mal in die Programme kleiner und kleinster Verlage hineinzuschnuppern. Einen kleinen Abzug gibt es für den „unsauberen“ Satzspiegel und diverse Formatierungsfehler, die den Lesefluss gelegentlich ein klein wenig stören.



Dienstag, 11. Juni 2013

Doris Lessing: Das fünfte Kind



Das fünfte Kind
Doris Lessing

Gebundene Ausgabe: 219 Seiten
Verlag: Hoffmann und Campe (März 2008)
ISBN-13: 978-3455401158


Klappentext

England in den sechziger Jahren. Harriet und David Lovatt wünschen sich nichts mehr als ein glückliches Familienleben. Als sie geheiratet und ein geräumiges Haus bezogen haben, stellen sich in rascher Folge vier Kinder ein - das Idyll ist perfekt. Doch als Harriet ein fünftes Kind auf die Welt bringt, ziehen dunkle Wolken auf: Der kleine Ben scheint alle Zuwendung abzulehnen und wird seinerseits von den meisten Menschen abgelehnt: Er wirkt wie ein bösartiger Troll und droht den Zusammenhalt in der Familie ernsthaft zu gefährden. Als die Gäste ausbleiben und auch die Geschwister beginnen, Ben ängstlich aus dem Weg zu gehen, wird der Junge in ein Heim abgeschoben. Doch Harriet holt ihren Sohn nach Hause zurück und riskiert, dass er durch seine Anwesenheit endgültig zerstört, was vom Familienidyll noch übrig ist.


Frankys Kritik

Gänzlich unvorbelastet und nur um den Klappentext wissend, machte ich mich an den Roman der Literatur-Nobelpreisträgerin 2007, Doris Lessing, der im Jahre 1988 herausgebracht wurde, und er ließ mich, zugegebenerweise, relativ ratlos zurück. Konnte ich den Klappentext mit dem Gelesenen doch so gar nicht zur Deckung bringen. Die Sprache gab sich irgendwie seltsam antiquiert und die Geschichte selbst ähnelte eher einer Inhaltsangabe oder Zusammenfassung. Gespräche in Form von wörtlicher Rede sind eine Seltenheit. Zudem ist der Text praktisch ungegliedert. Es existieren keine Kapitel sondern nur ein fortlaufender Text. Selbst Absätze bilden eine Ausnahme.

Trotzdem – oder gerade deshalb (?) – übt die Geschichte einen merkwürdigen Reiz aus, und schlägt schnell eine nicht vorhergesehene Richtung ein. Denn nicht die Geschehnisse um Ben, das fünfte Kind, stehen im Vordergrund, sondern seine Auswirkung auf Eltern, Geschwister und Außenstehende. Es ist eine Parabel über die Erwartungen an das Leben und das Zerbrechen des Idylles der bürgerlichen Familie, mitsamt ihrer historischen Strukturen.

Ein irritierendes Buch, eine Geschichte, die noch länger nachwirkt.



Dienstag, 4. Juni 2013

Michael Downing: Frühstück mit Scot

Frühstück mit Scot
Michael Downing

Broschiert: 215 Seiten
Verlag: Männerschwarm; 1. Auflage (September 2010)
ISBN-13: 978-3939542988


Klappentext

Scot lebt bei Sam und Ed, zwei Schwulen, die kaum damit gerechnet haben, sich eines Tages um ein Kind kümmern zu müssen, noch dazu um ein Kind wie Scot. Denn der zeigt Vorlieben, die eher zu einem Mädchen passen würden: Make-up, Parfüm und singende Haarbürsten. Auch wenn er sie mit seinem Verhalten oft in den Wahnsinn treibt, erkennen Sam und Ed an seinen Problemen, wie sehr sie selbst sich längst der Umgebung angepasst haben, und sie nehmen zusammen mit Scot den Kampf um die Selbstbehauptung auf.

Frühstück mit Scot, 2007 von Larie Lynd wundervoll verfilmt, ist alles andere als ein Kinderbuch. Der Autor erzählt vom scheinbar idyllischen Leben der weißen Mittelschicht in Neuengland. Nachbarn, Freunde, Lehrer, alle müssen sich in der Auseinandersetzung mit Scot bewähren.

"So klein er auch war, und so hoch die Räume waren, Scot hatte es doch geschafft, die Temperatur zum Kochen zu bringen. Das ist sein Talent, er ist ein Katalysator."


Frankys Kritik

Es gibt einfach Bücher die verbreiten gute Laune. Dieses ist so eines. Der elfjährige Scot präsentiert dem schmunzelnden Leser nicht einfach seine kleinen Marotten und Eigenheiten, nein, er lebt diese mit einer solch entwaffnenden natürlichen Selbstverständlichkeit, dass man ihn einfach liebgewinnen muss. Das geht auch den beiden Protagonisten Sam und Ed so. Aus diesem Grund entwickelt sich auch kein Kampf zwischen ihnen und dem aus der Reihe tanzenden Scot, es ist auch kein Kampf gemeinsam mit Scot gegen die Gesellschaft. Stattdessen bekommen sie von dem kleinen Jungen einen Spiegel vor das Gesicht gehalten, in dem sie sich selbst und den jeweils anderen erkennen – wiedererkennen müssen und dürfen.

Downing schreibt keine große Geschichte, keine ausufernde Dramatik. Es sind die kleinen Dingen, die aufmerksam machen, die aufhorchen lassen. Es ist dieser fast beiläufige Plauderton, in dem der Autor durch den Mund des Ich-Erzählers Ed uns an den skurrilen Episoden teilhaben lässt, der den Leser diesen Roman verschlingen lässt. Dabei wechseln amüsante Episoden, sprühender Witz, spitz formulierte Wortgefechte mit nachdenklichen, melancholischen Momenten.

Die Verfilmung (unter dem gleichen Titel, Kanada 2007, Regie Laurie Lynd) gibt sich dagegen wesentlich geradliniger, auf den Verlauf der eigentlichen Geschichte konzentriert. Amüsant sind sie sie beide, Buch wie Film, doch gerade die Nebengeschichten und beiläufigen Ereignisse, machen den eigentlichen Reiz der Geschichte aus. Ein wenig schade ist, dass sich der Roman allzu häufig in den zahlreichen Randfiguren verliert, ohne diese näher zu beleuchten und stärker mit in die Geschichte einzubeziehen. Das hätte den Roman in Gänze abgerundet. Aber man kann ja schließlich nicht alles haben.